Mio Kaba - Kapitel 3 Das Realitätsfeld


Der Weg von Hras Haus ist irgendwie unangenehm. Ist es, weil ich bei einer Fremden geklingelt habe? Nein, das habe ich schon öfter gemacht. Warum fühle ich mich so, als hätte ich mehr sagen müssen? Sie hat doch zufrieden genickt. Ich habe einfach zu lange nicht mehr mit Gleichaltrigen geredet, das muss es sein. Habe wohl doch auch meine Schwächen, aber Probleme mit Gleichaltrigen sind da mit Abstand noch das Beste. So gehen wir im Schweigen, zumindest dachte ich das. Hra fing einfach das Summen an, und das nicht mal gut. Sie kann von Glück reden, dass ich sie brauche.

Nach einem eigentlich kurzen Weg, der Mio mit der Realität klargemacht hat, dass er nie wieder jemanden um Hilfe fragen wird, kommen sie an einer kleinen Höhle in der Seite der Klippe an.

„Ja, da drin ist mir etwas Schweres verrutscht, und nach einer halben Stunde habe ich gemerkt, dass ich es nicht bewegen kann", sage ich und zeige auf die kleine Höhle an der Klippe.

„Und was genau machst du hier an der Klippe?", fragt sie, ist aber schon am Hineinklettern, sodass ich nicht mal antworten kann, bevor sie in der Höhle verschwindet.

Ich bin auch in zwei Sprüngen in der Höhle und sehe, dass Hra den Feldgenerator schon in der Hand hat. Sobald sie mich sieht, fragt sie: „Wo soll das denn hin?"

Ich zeige auf meinen ersten Prototyp im Schildversuch. Es ist einfach nur ein mit Runen und Magie-Tech aufgemotzter Laser, doch dank meiner perfekten Arbeit wurde aus dem Laser in Kombination mit dem Feldgenerator – sollte es ein Schiftfeld erzeugen, also eine Blase, die leicht auf der Achse der Zeit verschoben ist, sodass sich innen und außen nicht beeinflussen können. So ist die Stärke der Explosion egal, da sie in einer leicht anderen Realität auftaucht. Ich muss nur noch wissen, ob es sich von der Theorie direkt in die Praxis umsetzen lässt. Da kommt mir ein Helfer gerade recht.

Ich sah mit angehaltener Luft, wie sie den Feldgenerator nicht sanft absetzt, sondern das letzte Stück fallen lässt. Ein weiteres Mal muss ich mein Genie einfach loben – die Schockabsorber helfen in solchen Momenten natürlich auch. Nur muss ich die Runen wieder etwas nachfüllen. Aber besser, als dass es explodiert.

Hra schaut sich das nun vollständige Konstrukt an und sagt dann: „Da sind aber eine Menge Runen drauf, die ich noch nie gesehen habe. Was genau soll das werden?" Sie ist wirklich interessiert. Sie weiß, dass sie es wahrscheinlich nicht verstehen wird, aber sie will es versuchen und dreht sich zu Mio um.

„Einfach gesagt, es verschiebt einen Teil unserer Realität ein kleines bisschen nach vorgestern, sodass sich ein Raum erzeugen lässt, der keinen Einfluss auf die Außenwelt hat. Ich habe Angst, dass mein nächstes Experiment vielleicht explodiert, daher zur Sicherheit."

Bin ich aus einem mir unerklärlichen Grund einfach mal ehrlich. Ich muss echt müde sein – die letzten Tage nicht zu schlafen macht sich langsam bemerkbar.

Doch zu Mios Überraschung sagt Hra: „Du bist so aufmerksam! Bei dir ist es bestimmt eh unwahrscheinlich, dass es schiefgeht, und dann baust du so was. Heißt das, du kannst das auch als Gefängnis benutzen, aus dem nicht ausgebrochen werden kann?"

Das ist eine Anwendung, die mir nicht eingefallen ist. Welch ein Verbrecher muss außerhalb der Realität festgehalten werden? Aber von ihrem schnellen Verständnis erfreut, sage ich: „Ja, es kann als Gefängnis benutzt werden, aber dann muss es regelmäßig ausgemacht werden, damit der Gefangene nicht erstickt, denn die Luft da drin ist begrenzt. Aber daran könnte ich arbeiten. Wenn ich eine Formel in die Außenseite des Feldes integrieren kann, die nur Luft hindurchlässt, wäre es das perfekte Gefängnis. Das kommt auf die Liste."

Fange ich an, die Idee wirklich zu hinterfragen. Das perfekte Gefängnis – sollte ich der Erschaffer von so etwas sein? Ich dachte immer, ich würde Großes bewirken, aber vielleicht ist ein Gefängnis außerhalb der Realität größer, als es mir während des Plans eingefallen ist. Ich war zu sehr auf das Energieproblem fokussiert und habe gar nicht gemerkt, dass ich etwas komplett Neues aus Resten zusammengesetzt habe, weil mir das der einzige Weg erschien. Ich lache laut.

„Alles gut? Habe ich was Witziges gesagt?", fragt Hra verwirrt.

Ich probiere mich zu kontrollieren und sage dann lächelnd: „Ich war so mit dem Hauptprojekt beschäftigt, dass ich nicht mal gemerkt habe, dass ich etwas komplett Neues für unsere Spezies aus Notwendigkeit erreicht habe. Danke, dass du mir das aufgezeigt hast."

Ich hätte echt meine Augen zu sehr auf das Ende gerichtet und dabei etwas so Erstaunliches kaum beachtet. Dann kommt mir eine Idee: „Willst du es mit mir testen? Ich bin noch nicht dazu gekommen, aber laut Berechnungen sollte es funktionieren."

„Ja, unbedingt!", sagte Hra aufgeregt, beim ersten Test dieser neuen, unbekannten Maschine dabei sein zu können.

Mio ging also zur Maschine, richtete sie gegen die Wand, die von beiden am weitesten entfernt war, und drückte den Start-Knopf.


Als der komplexe Mechanismus erwacht, spürt Mio, dass sich ein kleiner Strom im Many der Welt gebildet hat und seine Maschine war im Mittelpunkt. Weil er jetzt einen Zuschauer hatte, sagte er seine üblichen Gedanken laut mit Erklärungen: „Ich habe die weiße Rune der Verstärkung mit der braunen Rune Absorption in einem mehr oder weniger komplexen Versuch in eine Art Auto-Kollektor für freies Many verwandelt. Du solltest es auch spüren – wie sich alles Many in der Höhle auf einen Schlag anfing zu bewegen", sagte ich zu Hra.

Diese machte die Augen zu und konzentrierte sich, und nach einem kurzen Moment machte sie: „Stimmt, aber es ist sehr schwach. Du musst ein unglaubliches Feingespür haben. Bist bestimmt super im Zaubern."

„Keineswegs. Ich kann freies Many gut spüren und nehme selbst kleinste Magie-Wellen wahr, aber wenn mein eigenes Many meinen Körper verlässt, ist es, als würde ich diese Fähigkeit verlieren. Deswegen liebe ich Runen – sie sind so logisch und verlässlich", sagte Mio. Ihm war es nicht peinlich, dass er keine Zauber beherrschte. Er war ja schon in einer Magie der Beste, also warum eine zweite lernen? Ich werde eh nie kämpfen, also reichen mir die langsamen Runen völlig.

„Das überrascht mich sehr. Normalerweise sind die mit solchem Gespür wie gemacht für das Zaubern. Selbst ich kann einen kleinen Feuerball", sagte sie und streckte ihre Hand von sich weg. Nach ein bisschen Konzentration ihrerseits war dort ein golfballgroßer Ball aus Feuer.

„Tja, ich kann vielleicht keine Feuerbälle werfen, dafür habe ich einen Weg entwickelt, meine eigenen Wurmlöcher zu kontrollieren und das schöne Stück." Wie auf mein Kommando schoss ein Strahl aus Licht – so schwach, dass man sich fragte, ob er echt ist – und landete auf der Wand. Dort bildete sich schnell eine kleine Kugel, und ich ging voller Selbstvertrauen darauf zu. Wie erwartet war sie härter als der Rest der Höhle.

„Willst du auch mal anfassen? Ist von dieser Seite ungefährlich. Auf der anderen würde es dich wahrscheinlich dauerhaft temporal verschieben, aber das kann ich nicht sicher sagen. Muss ich mir mit einer Baumnuss testen", machte ich mir wieder mentale Notizen.

Und reichte Hra meine Hand und führte sie langsam gegen die verschobene Realität. Als sie sie berührte, sagt sie: „Ganz schön kalt."

Ich überlege kurz und komme zu dem Schluss: „Wahrscheinlich, weil das Universum selbst nicht weiß, was es gerade auf der Oberfläche sein soll. Meine war nämlich warm." Während ich das sage, halte ich ihr meine Hand hin, und sie ist immer noch recht warm.

Und bevor ich es selbst begriffen hatte, stand ich mit einem Mädchen in einer Höhle alleine und halte Händchen, und neben uns spielen die Naturgesetze verrückt.


Ende Kapitel 3